Chronik


Früher bis Heute

Mit Hilfe des Internets und Google-Earth ist es möglich, fast jeden Punkt der Erde so zu sehen, als flöge man mit einem Hubschrauber drüber hinweg. Ein Flug über Lüneburg lässt dann bald erkennen, dass die Anlage des Kleingärtnervereins „Am Schildstein“ mit seinen heute 143,8 Hektar Gesamtfläche nicht nur die größte Kolonie in Lüneburg sondern auch eine wichtige grüne Lunge der Stadt ist. Die Wohnbebauung ist inzwischen bis an die Grenzen der Stadt gewachsen und so mancher Neubürger der Siedlungen Auf der Höhe, Scharpers Drift und Teufelsküche nutzen den Weg durch die Anlage zum Stadtzentrum.

Der Schildstein

Am Schildstein, im Südwesten der Stadt ca. 400 m südöstlich des Kalkberges gelegen, hat man nachweislich bereits 1364 Gips abgebaut. Geologisch mit gleicher Entstehungsgeschichte wie der Kalkberg war der Schildstein bis ins späte 18. Jahrhundert einer der größten Gipsbrüche in der Region Lüneburg. Der relativ kleine Felsen hatte eine homogenere Struktur, die sich für Werksteinarbeiten sehr gut eignete und an vielen öffentlichen Bauten und Kirchen auch an ferneren Orten anzutreffen ist. Seine Anhydritquader wurden bereits im 12.Jahrhundert für den Bardowicker Dom gebrochen (Bardo-wicker Domportal). Der Abbau wurde im 19. Jahrhundert beendet, als die Ausbeute mit Wasserhaltung unter Grundwasserniveau unrentabel wurde und eine angestochene Solequelle den Salinenbetrieb zu beeinträchtigen drohte (Quelle: Aufrisse - Mitteilungen des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt e.V. 21/2004/2005). Die Kalkfabrik befand sich seinerzeit dort, wo sich heute die so genannten „Idunahäuser“ befinden (gegenüber AOK: Am Weißen Turm / Hinter der Saline). Vorher befand sich auf dem Gelände seit 1789 eine Windmühle. 1909 kaufte die Saline den Schildstein auf und versuchte allerdings vergeblich, die Solequelle nutzbar zu machen. Seither war der Bereich am Schildstein Brach- und Ackerland (Geschichte der Stadt Lüneburg – Johanneum Lüneburg Expo Schule). Der Schildsteinweg in Lüneburg wurde erst 1924 so benannt. Sein Name geht auf seinen einstigen Pächter namens Schiltstene zurück, der 1381 urkundlich erwähnt wurde. 1935 wurden hier auf diesem Gelände des Schildstein die ersten Schrebergärten unter Gründung des Kleingärtnervereins „Am Schildstein“ angelegt. Das Gelände vom heutigen „Buchenweg“ bis zur so genannten „Schlucht“ war die eigentliche Kolonie. Das heute als „Düngerschuppen“ genutzte Gebäude, das im Bereich des Parkplatzes am Süttenweg steht, kann durchaus als erstes Vereinsheim bezeichnet werden. Mit Gründung des Vereins unter dem damaligen Vorsitzenden Karl Müller wurde das Gebäude dort errichtet. Anfangs wurde hier auch noch Saatgut etc. an die Kleingärtner verkauft. Erst 1947 wurde das Areal des Kleingärtnervereins um das Gelände zwischen dem Buchenweg und dem Kirschenweg erweitert. Dieses Gelände gehörte dem ehemaligen Ziegenzuchtverein Lüneburg und wurde zur Ziegenzucht genutzt. Damals gab es noch kein Vereinsheim oder gar einen Wasseranschluss. Die ersten Kleingärtner mussten das für die Bewässerung im eigenen Garten erforderliche Wasser noch mit Eimern aus dem zentral gelegenen Brunnen schöpfen, um ihr Gemüse und ihre Pflanzen zu bewässern. Einige Kleingärtner legten sogar ihren eigenen Brunnen an.

Bau des neuen Vereinsheimes

Das mit Vereinsgründung 1935 errichtete erste „Vereinsheim“, der heutige „Düngerschuppen“, der im Bereich des Parkplatzes am heutigen Sültenweg steht, konnte nicht länger als Vereinsheim genutzt werden. Das Gebäude war zu klein liegt auch gar nicht zentral genug. Deshalb fasste der damalige Vorstand unter Vorsitz von Gartenfreund E. Siebers Anfang 1957 den Entschluss, ein neues, attraktiveres Vereinsheim auf einem gut zu erreichenden Platz zu bauen. Der Bauplan war relativ schnell gefertigt. Man hatte konkrete Vorstellungen vom neuen Treffpunkt. Im Juni 1957, an einem herrlichen Sommertag, machten sich vier Gartenfreunde ans Werk. Von der Zeichnung des Grundrisses bis zum Dachdecken wurde das Gemeinschaftshaus ausnahmslos in Eigenleistung erbaut. Der Gartenfreund und Maurer Peters, der der Firma Bollmeier & Streicher in Lüneburg angehörte, führte dabei Regie. 

Man gibt sich beim Ausnivellieren am 19. Juni 1957 außerordentliche Mühe, um die Standhaftigkeit des Vereinsheimes über Jahrzehnte hinweg zu gewährleisten. Schließlich soll das Gemeinschaftshaus nicht nur zu Vorstandssitzungen sondern auch für Veranstaltungen genutzt werden. Ein großer Versammlungsraum, ein Bewirtschaftungsraum, damals noch von außen zugängliche Toiletten aber auch eine Büroraum: so war das Vereinsheim geplant.

 Anfang Juli werden die roten Backsteine angefahren und an den richtigen Platz gebracht. Jede freie Minute nutzen die Gartenfreunde dann von Mitte Juli 1957 bis September 1957, „Stein auf Stein“ zu reihen. Alles ist so geplant, dass spätestens im Oktober Richtfest gefeiert werden kann. Auf alle Fälle soll das Vereinsheim  noch vor dem Winter fertig sein. Kräftig wird von allen Hand angelegt. Das Sommerwetter soll natürlich ausgenutzt werden, damit der Rohbau schön austrocknen kann. Tatsächlich gelingt es, im Oktober 1957 den Dachstuhl zu errichten. Mit 8 fleißigen Gartenfreunden wurde das Material zusammengetragen. Die Jugendgruppe des Kleingärtnervereins „Am Schildstein“ hatte dann am 28. Oktober 1957 die Ehre, die Richtkrone zu übergeben. Es war schon ein besonderes Ereignis an dem zum Glück regenfreien und für Oktober im Verhältnis recht milden Herbsttag. Mit wenigen Handgriffen war die Richtkrone am Dachstuhl befestigt. Selbstverständlich gab es erst einmal eine zünftige Rede „von oben“ und natürlich wurde das Richtfest mit Sekt begossen. Nun konnte auch mit dem Eindecken begonnen werden. In der Gesamtansicht des Vereinsheims sind deutlich die Fahnenmasten zu sehen, die auch heute noch für die Fahnen des Bezirksverbandes und der Gartenfreunde genutzt werden. Mit Fertigstellung des Gemeinschaftshauses und heutigen Vereinsheimes waren die Toiletten noch von außen erreichbar. Aus Gründen der Sicherheit wurde später entschieden, die Toiletten nur  noch von innen zugänglich zu machen.

Wasseranschluss

Im Jahre 1960 erhielt der Verein seine erste Wasserleitung. Damals waren es die Gartenfreunde Ostermann, Schröder, Bartels, Grosser und Gramulla Leid, die das Wasser zur Bewässerung aus dem Brunnen beim Vereinsheim holten.  Das selbst aufgefangene Regenwasser reichte vielfach nicht aus. Diese fünf wollten einen eigenen Wasseranschluss im Garten haben. Schnell wurde die Idee in die Tat umgesetzt.  Von dem Hauptwasseranschluss „Auf der Höhe“ gruben die fünf mühsam bis zum Kirschenweg die Erde jeweils zu Ihren Gärten aus.  Klempner Sander hat dann die Hauptwasserleitungen hineingelegt.  Als sie dann fertig waren, schlossen sich auch viele andere Gartenfreunde an. Die Hauptarbeit war ja bereits erledigt.

Die Schlucht

Innerhalb des Geländes des Kleingärtnervereins „Am Schildstein“ wird die Schlucht – ein breiter Grüngürtel - gepflegt, der durch die Stadt seinerzeit kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde. Die „Schlucht“ umfasst das Gebiet vom Sültenweg über Bögelstraße zum Grasweg. 

Die letzten Spuren des Kalkabbaus bzw. der Gipsgewinnung  waren hier bis ca. 1970 / 1976 erkennbar. Ein bis zu 8 m tiefes Loch befand sich dort. Seit Gründung des Kleingärtnervereins haben Kleingärtner damals Gartenabfälle in dieses „Loch“ gefüllt. Ab ca. 1976 wurde die „Schlucht“ nach und nach missbraucht, um dort Müll einzufüllen. Die Schlucht wurde schließlich mit Lehmsandgemisch, welches durch den Bau der Umgehungsstraße Anfang der 80er Jahre frei wurde, aufgefüllt. Das Ziel, auch auf diesem Gelände Schrebergärten zu errichten, wurde nicht weiter verfolgt. Lediglich ein einziger Garten befindet sich in der Schlucht. Die Straße wurde damals überbrückt. Hierüber wurden Sand und Kies mit Loren vom Krieg bis ca. 1970 für den Kalkabbau geholt.

Unser Mammutbaum ( Sequoiadendron giganteum )

Wer ein bisschen durch die Wege der Kleingartenkolonie „Am Schildstein“ wandert, wird einen Baum nicht übersehen, den über 15 m hohen Mammutbaum (Sequaoidadendron giganteum), der hier seit fast siebzig Jahren steht. Beinahe wäre er im Jahre 2002 den Regeln der kleingärtnerischen Nutzung zum Opfer gefallen. Doch nun steht er geschützt in einer eigens für ihn umgestalteten Parzelle. Trotz seines Stammumfanges von gut drei Metern ist der Mammutbaum noch jung an Jahren. Wenn er dem sturmsicheren Gehölz keine Säge zu nahe kommt, kann er es bis auf stolze drei- bis viertausend Jahre bringen. Wie aber kommt der Mammutbaum hierher? Aufzeichnungen gibt es darüber leider nicht. Aber die Gartenfreunde, die von Anfang an dabei sind, erzählen überwiegend übereinstimmende Geschichten.  Nach dem vergeblichen Versuch der Saline, die Solequelle im Bereich Schildstein 1909 für sich nutzbar zu machen, lag das Land brach. Es wurde zu Ackerland.  Den Bereich des Brach- / Ödlandes am heutigen Schildsteinweg umzäunte der Engländer gegen Ende des 2. Weltkrieges mit Stacheldraht. Das ganze Gelände um heute dort stehenden Mammutbaum wurde als Kriegsgefangenenlager für Deutsche, als Sammellager für Deportierte eingerichtet.  Die Unterbringung erfolgte nur teilweise in Zelten auf diesem Gelände. Viele Kriegsgefangene buddelten sich mit bloßen Händen eine Ausnehmung in den Boden und fanden darin Unterschlupf. Der Engländer war mit Jeeps dort. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges Mai 1945 bis Ende Juni 1945 bewachten sie das Lager. Einigen Gefangenen gelang dennoch die Flucht. Gartenfreund Heinrich Gramulla, seit 01. April 1956 Mitglied und Pächter des Kleingärtnervereins „Am Schildstein“ erinnert sich: „Meine Mutter hat damals drei Flüchtlingen mit Zivilkleidung geholfen. Nach deren Flucht haben sie sich tatsächlich später von zu Hause gemeldet. Beispielsweise Herr Eger aus Eger (Stadt im äußersten Westen der tschechischen Republik) und Herr Versebeckmann aus Münster – Westfalen. Ich wollte damals Landwirt werden. Als Dankeschön bot Herr Versebeckmann mir an, dass ich in Altenberge bei Münster eine Ausbildung zum Landwirt beginnen kann, was ich auch am 1. Oktober 1945 tat. Dort besuchte ich unter anderem die Landwirtschaftsschule in der britischen Besatzungszone. Mein Ziel, mit Bewerbung als staatlich geprüfter Landwirt abzuschließen, hat der damalige Leiter abgelehnt, weil zunächst bevorzugt Spätheimkehrer und Hoferben genommen wurden.“ 

 

Im Zusammenhang mit der Geschichte dieses Kriegsgefangenenlagers Am Schildstein kann man im Internet auch nachlesen, dass Heinrich Himmler im März 1945 versuchte, nach seiner Absetzung als Oberbefehlshaber der Heeresgruppen Verbindung mit den Westalliierten aufzunehmen, um über einen Separatfrieden zu verhandeln. Am 28. April 1945 erfuhr Hitler von diesem Vorhaben und dass Himmler sich als Hitlers Nachfolger vorgeschlagen hatte. Er entlässt ihn daraufhin aus allen Ämtern und verfügt einen Haftbefehl gegen ihn. 

 Himmler schlug sich im Mai bis zur neuen deutschen Regierung unter Großadmiral Karl Dönitz durch, von der seine Mitarbeit jedoch abgewiesen wurde. Unter falschem Namen Heinrich Hitzinger und in einer einfachen Soldatenuniform versuchte Himmler, sich in einem Flüchtlingsstrom der Gefangennahme zu entziehen. Bei Lüneburg geriet er in britische Gefangenschaft, blieb aber unerkannt. Nach seiner Entdeckung beging Himmler am 23. Mai 1945 in einem britischen Gefangenenlager bei Lüneburg durch eine versteckte Zyankalikapsel Selbstmord (   http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Personenregister). 

Ein Kanadier soll die Saat des Mammutbaumes während des 2. Weltkrieges mitgebracht und eingepflanzt haben. Diese Saat muss dem Alter des Baumes entsprechend ca. 1943 / 1944 gepflanzt worden sein. Nach Kriegsende wurde das Ackerland dann zu Gartenparzellen des Kleingärtnervereins „Am Schildstein“. Die Gärten wurden eingerichtet, um die Hungersnot durch Ernte aus dem eigenen Garten zu lindern. Logisch, das es unter diesem Aspekt seinerzeit keine freien Gärten gab. Die Häuser im heutigen Schildsteinweg wurden erst 1951 und 1952 erbaut. Hier hatte das Haus Schildsteinweg Nr. 53, der so genannte „Kaffeesachse“ bewohnt. Das eigene Grundstück war für den Anbau von Obst und Gemüse zu klein. Deshalb hatte er den angrenzenden Garten zu seinem Grundstück des Hauses dazugenutzt – den Garten, der heute der Garten Nr. 7 ist und den Mammutbaum beherbergt. 

Aus dem Haus Nr. 53 zog er aus behielt den Garten Nr. 7 aber weiter. Der Mammutbaum wurde größer und größer. 1988 wollte der Pächter des Gartens  daher von der Pacht befreit werden, weil er den Garten nicht entsprechend nutzen konnte. Er überlegte auch, den Baum zu fällen. Das wurde ihm aber nicht gestattet. Da die Bewirtschaftungsfläche einhergehend immer kleiner wurde, löste der Gartenfreund des Gartens Nr. 7 den Pachtvertrag. Der Grünflächen- und Forstausschuss des Rates der Hansestadt Lüneburg, der regelmäßig jedes Jahr die Lüneburger Kleingartenkolonien im Rahmen des Kleingartenwettbewerbes besichtigt, stellte im Jahre 2001 fest, dass der hier stehende „Baum“ ziemlich groß sei. Es sollte geprüft werden, ob das nicht mit dem Bundeskleingartengesetz vereinbar oder der Baum zu fällen ist.

Schnell wurde jedoch klar,  dass es sich nur um einen sequoiadendron giganteum - also um einen Mammutbaum handeln kann, wie er sonst nur in 1500 bis 2500 Metern Höhe in der Sierra Nevada in Nordamerika vorkommt. Er wurde deshalb unter Naturschutz gestellt. Der Garten Nr. 7 wurde der Stadt gegenüber damit pachtfrei. Er erhielt einen Zaun durch die Stadt Lüneburg, den Gartenfreund Friedhelm Petersen vom Kleingärtnerverein „Am Schildstein“ errichtete. Die anfänglich erforderliche Gartenbauarchitektur wurde durch die Stadt Lüneburg und auf Antrag des Vereins durch die NDR – Lotterie „Bingo“ unterstützt und gefördert. Gartenfreund Günther Thiede erhielt eine Sitzgarnitur, ein Kräuter- und ein Wildblumenbeet und richtete den Garten um den Mammutbaum erstmalig für Besucher ein.  Zwischenzeitlich stellt der Mammutbaum schon so etwas wie das Wahrzeichen der Kolonie dar. Mitgliedsbücher gab es erst ab 1960 bis dahin gab es Unterpachtverträge. 

 

( Text und Recherche Bernd Hermann )